Tierhaltungsanlagen in Sachsen-Anhalt
In den vergangenen Jahren sind die Genehmigungsverfahren für Tierhaltungsanlagen als eine Form der Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sowie der Betrieb dieser Anlagen immer mehr in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Das Bedürfnis nach umfassenden und dennoch verständlichen Informationen zu Tierhaltungsanlagen ist dementsprechend gewachsen.
Diesem Bedürfnis wollen wir als Genehmigungs- und Überwachungsbehörde Rechnung tragen. Auf dieser Seite haben wir zahlreiche Informationen zu Genehmigungsverfahren und Kontrollen von Tierhaltungsanlagen zusammengestellt.
Faktensammlung zur Schweinezuchtanlage in Binde
In jüngster Vergangenheit sind bezüglich der Schweinezuchtanlage in Binde teilweise missverständliche oder gar falsche Informationen an die Öffentlichkeit gelangt.
Im Sinne einer transparenten Kommunikation ist es grundlegend, über die rechtliche Sachlage aufzuklären und zu informieren. An dieser Stelle sind alle Fakten zusammengestellt, die die Verfahren zur Sauenanlage Binde betreffen.
HINWEIS: Die Faktensammlung wird fortlaufend aktualisiert.
Behörden als neutrale Entscheider
Die Genehmigungsbehörden, in diesem Fall der Landkreis Altmarkkreis Salzwedel für das Baurecht und das Landesverwaltungsamt für das Immissionsschutzrecht sind in allen Genehmigungsverfahren neutral und einzig dem Gesetz verpflichtet. Rechtliche Vorgaben und richterliche (letztinstanzliche) Entscheidungen sind für die Genehmigungsbehörden bindend. Die Behörden haben die Anträge von Antragstellern auf dieser Basis rechtlich zu bewerten. Dabei sind sie verpflichtet, im Falle eines Beteiligungsverfahrens die vorgebrachten Argumente Betroffener anzuhören und in ihre rechtliche Bewertung einfließen zu lassen. Dabei können jedoch nur Argumente berücksichtigt werden, die eine rechtliche Relevanz haben, wie beispielsweise Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Denkmalschutzes, Abstandsregelungen zum Schutz vor Luftverunreinigungen, Geräuschen, Licht, Wärme usw..
Die Behörde hat bei diesen Verfahren keinen Spielraum etwas abzulehnen, weil man es nicht möchte oder grundsätzlich keinen Bedarf sieht. Erfüllt ein Antragsteller alle Voraussetzungen ist die Behörde verpflichtet, den Antrag zu genehmigen. Die Genehmigung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. Das ist beispielsweise erforderlich, wenn eine Ablehnung ansonsten zu einer unbilligen Härte führen würde.
Die Schweinezuchtanlage in Binde - Rückblick
Die Anlage in der Stadt Arendsee, Ortsteil Binde, wurde mit Datum vom 06. November 1993 nach § 67a BImSchG als sogenannte Altanlage mit 7.200 Tierplätzen in den Ställen 5 – 19 angezeigt. Im Jahr 2005 beantragte die damalige Anlagenbetreiberin eine Umnutzung und Erweiterung der Anlage.
Mit Bescheid nach § 16 BImSchG vom 04. Mai 2006 wurde durch das Landesverwaltungsamt die Umnutzung und Erweiterung der vorhandenen Stallanlagen, die Bewilligung von 30.440 Tierplätzen sowie die Errichtung einer Biogasanlage (BGA) einschließlich Endlager genehmigt.
Aufgrund einer Beschwerde fand durch den Altmarkkreis Salzwedel am 20. April 2007 eine Ortsbesichtigung statt. Dabei wurde festgestellt, dass die Bauausführung nicht vollumfänglich entsprechend der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung von 2006 erfolgt war.
Das Landesverwaltungsamt wurde darüber mit Schreiben vom 11. Mai 2007 informiert.
Die Anlagenbetreiberin wurde daraufhin aufgefordert, Antragsunterlagen zu den Änderungen vorzulegen. Da die Abweichungen lediglich Gesichtspunkte des Baurechts betrafen (und keine Änderungen der Tierplatzzahl oder andere immissionsschutzrechtliche Aspekte), wurde die Betreiberin aufgefordert, prüffähige Bauantragsunterlagen vorzulegen. Dazu wurde im Vorfeld ein Freistellungsbescheid nach § 15 BImSchG gegenüber der Betreiberin erlassen.
2010 erfolgte durch das LVwA eine Anordnung nach § 17 BImSchG zur Nachrüstung der Abluftreinigungsanlagen mit elektronischem Betriebstagebuch und 2012 eine weitere Anordnung zur Festlegung der zulässigen Tierplätze und Großvieheinheiten mit Einteilung auf die einzelnen Ställe.
Am 10. Januar 2013 erging die Baugenehmigung nach §§ 71, 63 BauO LSA zur nachträglichen Legalisierung der abweichenden Bauausführung von Anlagenteilen der Tierhaltungsanlage.
Die Gemeinde Arendsee klagte gegen diese Baugenehmigung.
Im Rahmen des über 10 Jahre andauernden Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg gegen die Baugenehmigung vom 10. Januar 2013 wurden verschiedene rechtliche Thematiken intensiv erörtert. Insbesondere zu der Frage, ob die Vorprüfung zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ordnungsgemäß erfolgt sei und die dazu vom Anlagenbetreiber vorgelegten Unterlagen aussagekräftig waren, erfolgte intensiver rechtlicher Austausch und Diskussion vor Gericht.
Im Januar 2018 wurde das Verfahren durch das Gericht ausgesetzt mit der Maßgabe, dass die Gutachten zur Vorprüfung UVP durch die Anlagenbetreiberin (Beigeladene) überarbeitet und vervollständigt werden. Die schließlich mit Schreiben vom 29. Oktober 2021 übergebenen vervollständigten Unterlagen wurden der UVP – Stelle des Landesverwaltungsamtes übergeben mit der Bitte um Prüfung, ob die Vorgaben des Gerichtsbeschlusses zur Vorprüfung umgesetzt worden sind. Dort kam man zu dem Ergebnis, dass dies nicht vollumfänglich der Fall sei mit der Folge, dass Zweifel in der Vorprüfung und der Datenlage nach der Rechtsprechung und Literatur zur Erforderlichkeit der Durchführung einer UVP führten.
Mit diesem Bearbeitungsstand wurde im November 2021 wieder in das gerichtliche Verfahren eingetreten. Wesentlicher Diskussionspunkt vor Gericht war, ob und unter welchen Bedingungen eine UVP durchgeführt bzw. nachgeholt werden könnte.
Am 29. Juni 2023 erging das stattgebende Urteil, in welchem die Baugenehmigung des Landesverwaltungsamtes aus dem Jahr 2013 aufgrund der nicht mehr herstellbaren Datenlage für die UVP aufgehoben wurde.
Im Juli 2023 stellte das Unternehmen einen Berufungsantrag, welcher mit Datum vom 04. Juli 2024 zurückgewiesen wurde. Auch die daraufhin von der Betreiberin erhobene Anhörungsrüge wurde mit Beschluss vom 25. Juli 2024 zurückgewiesen. Damit hat das Gerichtsurteil Rechtskraft erlangt.
Im Ergebnis des Urteils zur Aufhebung der Baugenehmigung ist die bestehende Anlage so herzurichten und zu betreiben, wie es in der Genehmigung nach BImSchG von 2006 festgelegt ist.
Die Genehmigung nach BImSchG von 2006, welche dem Unternehmen das grundsätzliche Halten von Schweinen erlaubt, ist von dem Urteil des Verwaltungsgerichtes nicht betroffen.
Mit Datum vom 12. April 2024 kam es in der Schweinemastanlage zu einem Brand, infolgedessen verschiedene Ställe vernichtet wurden.
Aktuelle Sachlage (16.06.2025):
Die Betreiberin der Schweinezuchtanlage ist nun in der Pflicht, das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg zur Aufhebung der Baugenehmigung (hinsichtlich der baulichen Abweichungen zur Genehmigung von 2006) umzusetzen. Dazu war es erforderlich, ein Konzept vorzulegen, welches darlegt, wie der Betrieb der Anlage auf dem Genehmigungsstand von 2006 insbesondere unter Einhaltung aller Tierwohlbestimmungen unter Berücksichtigung des geltenden Rechts fortgeführt werden kann.
Das Konzept lag dem Landkreis seit April 2025 vor und wurde von den Fachabteilungen intensiv auf die Vereinbarkeit mit geltenden Gesetzen und den Anforderungen an das Tierwohl geprüft. Am 12. Juni erging eine entsprechende Ordnungsverfügung durch den Landkreis, in welcher der Betreiberin die Nutzung der ungenehmigten Bereiche untersagt wird. Die Untersagung der Nutzung wird eine Reduzierung der Tierzahlen zur Folge haben.
Ahndung von Verstößen:
Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (in Verbindung mit der Bauordnung LSA bzw. dem BImSchG) eröffnet den Verwaltungsbehörden die Möglichkeit, Verstöße der Betreiberin gegen Vorschriften zu ahnden.
In den zurückliegenden Jahren wurden sowohl vom Landkreis als auch vom Landesverwaltungsamt Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Betreiberin geführt. Gegenstand dieser Verfahren waren Verstöße wg. der Nichtbeachtung von Nebenbestimmungen aus Genehmigungen oder der Nichterfüllung von Betreiberpflichten.
Die Überwachung der Anlage erfolgt fortlaufend.
Nächste Schritte:
Die Umsetzung der Nutzungsuntersagung des Landkreises wird sowohl seitens des Landkreises (Baurecht) als auch des Landesverwaltungsamtes (Bundesimmissionsschutzrecht) überwacht.
Klarstellungen:
1. Anzahl der genehmigten Tierplätze:
- Genehmigt mit Bescheid nach § 16 BImSchG vom 04.05.2006 – 7040 Sauenplätze + 23.400 Ferkelplätze
- Mit den notwendigen baulichen Änderungen wird eine Reduzierung der Tierplätze einhergehen, die genaue Zahl ist noch zu ermitteln
- Andere Zahlen, die kommuniziert wurden, sind nicht korrekt!
2. Konzept:
- Irritationen bestanden bei dem Begriff Konzept. Wie dargestellt handelt es sich dabei um die Aufgabe der Betreiberin schriftlich und mit entsprechenden Unterlagen darzulegen, wie sie zukünftig auf Basis des Gerichtsurteils des Verwaltungsgerichtes Magdeburg die Anlage betreiben wird. Diese Unterlagen sind durch den Landkreis auf rechtliche Korrektheit zu prüfen und gegebenenfalls sind Anpassungen einzufordern. Anschließend muss dieses „Konzept“ durch die Betreiberin umgehend umgesetzt werden.
3. Unterschied zwischen Baurecht und Immissionsschutzrecht
- Immissionsschutzrecht (zuständig Landesverwaltungsamt) erteilt die anlagenbezogene Genehmigung zum Betrieb einer Tierhaltungsanlage. Dabei muss die Behörde sicherstellen, dass von der Anlage keine Schädigungen oder Belastungen über die gesetzlich vorgeschriebenen Richtwerte hinweg ausgehen. Dazu untersucht sie im Vorfeld, ob die technischen Bauten (wie beispielsweise Filteranlagen) geeignet sind, die Richtwerte einzuhalten. Falls nicht, wird die Betreiberin aufgefordert, durch technische Anpassungen die Einhaltung der Werte zu gewährleisten. Dazu führt die Behörde in regelmäßigen Abständen immissionsschutzrechtliche Vor-Ort-Kontrollen durch.
- Baurecht (zuständig Landkreis) regelt die bauliche Nutzung von Grundstücken und die städtebauliche Ordnung als auch die Gefahrenabwehr und Einhaltung von Mindeststandards.
Übersicht über die derzeit beantragten Anlagen mit den jeweiligen Verfahrensständen
(die Tabelle wird monatlich aktualisiert und ist nicht barrierefrei)
Tabelle der in Sachsen-Anhalt laufenden Genehmigungsverfahren für Tierhaltungsanlagen (Sp. 1/2 Nr. 7.1 der 4. BImSchV)
Bearbeitungsstand: 22.05.2025
Genehmigung
Liebe Leserinnen und Leser unserer Info-Broschüre,
hiermit möchten wir Sie darauf aufmerksam machen, dass es sich bei der vorliegenden Broschüre um eine allgemeine Bürgerinformation handelt, die nicht den Anspruch erhebt und auch nicht erheben kann, zu rechtlichen Problemdiskussionen und in rechtlichen Verfahren herangezogen zu werden. Sie dient ausschließlich der Information von interessierten Bürgerinnen und Bürgern und ist somit auch an diese Informationsbedürfnisse angepasst.
Überwachung - Berichte über immissionsschutzrechtliche Kontrollen von Tierhaltungsanlagen
Die behördlichen Vor-Ort-Kontrollen der im Genehmigungsbescheid festgelegten Bestimmungen zu Bau und Betrieb von Tierhaltungsanlagen ist von ausschlaggebender Bedeutung für die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften.
Oft findet eine Überwachung der Einhaltung immissionsschutzrechtlicher Pflichten anlassbezogen im Rahmen von Beschwerdebearbeitungen statt. Zur Beschwerdeerhebung finden Sie hier den entsprechenden Vordruck.
Einzelne Berichte zu den Vor-Ort-Kontrollen u.a. von Tierhaltungsanlagen finden Sie hier. Den bisherigen Übersichtskatalog Stand 03/2013 finden Sie hier. Durch diese Transparenz ist es jederzeit möglich, das behördliche Vorgehen bei Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen zu verfolgen.
Gesetzestexte und Entscheidungen
Entscheidungen (Urteile / Beschlüsse) von grundsätzlicher Bedeutung für die Errichtung und den Betrieb von Tierhaltungsanlagen (insbesondere Schweinemastanlagen)
Wir hoffen, dass Sie sich mit Hilfe dieser Informationen ein umfassendes Bild über die Genehmigungsmodalitäten machen können und stehen Ihnen darüber hinaus als Ansprechpartner bei Fragen und Anregungen gern zur Verfügung.