Beschlüsse 2016
Beschluss 2 VK LSA 22/16 vom 01.06.2017 (nicht barrierefrei)
§ 97 Abs. 6 GWB, § 168 Abs. 1 S. 1 GWB, § 57 Abs. 2 VgV
- teilweise begründeter Nachprüfungsantrag
- Angebot mit einem Vorbehalt
- Mindestbedingungen im Nebenangebot nicht erfüllt
- in nichtzutreffender Weise gewertetes Nebenangebot
- Abweichung bei der Berechnung der Wertungspreise
Die Antragsgegnerin hat gemäß § 168 Abs. 1 S. 1 GWB die Antragstellerin nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass sie ihr erstes und zweites Nebenangebot ausgeschlossen hatte.
Der Ausschluss des ersten Nebenangebotes der Antragstellerin war rechtmäßig. Die Antragstellerin hatte in dem Nebenangebot eins ausgeführt, dass sie die Belieferung mit Wärme zu Wärmepreisen mit Sondernetzentgelt anbiete. Es ist zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe nicht gewiss, ob das Sondernutzungsentgelt überhaupt bzw. in welcher Höhe zum Tragen kommt. Damit ist das Angebot mit einem Vorbehalt versehen.
Ebenso hat die Antragsgegnerin das Nebenangebot zwei der Antragstellerin zu Recht ausgeschlossen. Die Antragsgegnerin hatte u.a. als Mindestbedingung vorgegeben, dass der Auftragnehmer Nahwärme zur Raumheizung, Warmwasserbereitung etc. liefert. Das Nebenangebot sah jedoch vor, dass die Antragsgegnerin Pächterin der Wärmeanlage wird und zusätzlich die Wärmeträger beschafft. Somit erfüllt das Nebenangebot nicht die verlangten Mindestanforderungen.
Die Antragsgegnerin hat jedoch das Nebenangebot drei der Antragstellerin in nichtzutreffender Weise gewertet. Aufgrund des Transparenzgrundsatzes ist sie gehalten, bei der Wertung ihre eigenen Vorgaben einzuhalten. Die Antragsgegnerin hat bei der Ermittlung der Wertungspreise die gegebenen Berechnungsformeln und Vorschriften teilweise nicht korrekt berücksichtigt bzw. nicht nachvollziehbar dokumentiert. Der Nachprüfungsantrag ist damit teilweise begründet und das Vergabeverfahren ist ab der Wertung der Angebote zu wiederholen.
Beschluss 2 VK LSA 20/16 vom 09.03.2017 (nicht barrierefrei)
§ 97 Abs. 6 GWB, § 21 Abs. 1 Satz 2 VgV, § 127 Abs. 1 GWB, § 58 Abs. 1 u. 2 VgV
- unzureichende Mengenangaben
- unzureichendes Wertesystem
Die Antragsgegnerin hat im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren nicht detailliert genug über den Auftragsumfang informiert. Ihre Angaben beschränkten sich darauf, dass das geschätzte Auftragsvolumen netto 5,3 Millionen Euro über eine Vertragslaufzeit von 4 Jahren betrage. Weiterhin hat sie ein fingiertes Auftragsvolumen von 5 Millionen Sendungen pro Los vorgegeben.
Die Antragsgegnerin hatte gleichzeitig eine Vielzahl von Leistungspositionen vorgesehen. Es handelt sich hierbei hauptsächlich je Los um eine Gruppe von 26 verschiedene Positionen, die Art und Größe von Sendungen beschreiben, die eine physische Zustellung mit Druck vorsehen sowie entsprechende Versandoptionen. Angaben über ein prognostiziertes Mengenaufkommen je Position sind im Leistungsverzeichnis nicht enthalten. Damit waren die Bieter nicht in der Lage, die Auswirkungen der offensichtlich z.T. äußerst unterschiedlichen Mengen je Position auf die Preisbildung zu berücksichtigen. Des Weiteren handelt es sich je Los um eine Gruppe von 25 Dienstleistungspositionen. Angaben über die Häufigkeit dieser Projekte und Tagesleistungen sind im Leistungsverzeichnis ebenfalls nicht enthalten.
Mit diesen pauschalen Angaben war es angesichts der Differenziertheit der abgefragten Leistungen den Bietern nicht möglich, eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation vorzunehmen. Die Ausschreibungsbedingungen sind daher als unzumutbar zu qualifizieren.
Darüber hinaus war das Wertungssystem der Antragsgegnerin nicht geeignet, das wirtschaftlichste Angebot im Sinne des § 127 Abs. 1 GWB sowie § 58 Abs. 1 bis 3 VgV zu bestimmen. Die Vorgehensweise der Antragsgegnerin ist in diesem Zusammenhang als ermessensfehlerhaft anzusehen, da hinsichtlich der Wertung des Preises sämtliche Leistungspositionen ohne weitere Differenzierung bezüglich ihrer Häufigkeit gleich gewichtet werden sollen.
Beschluss 2 VK LSA 19/16 vom 14.02.2017 (nicht barrierefrei)
§ 134 Abs. 1 S. 1 GWB, 168 Abs. 1 S. 1 GWB, § 34a Abs. 1 S.1 GewO
- unbegründeter Nachprüfungsantrag
- Informations- und Wartepflicht
- Empfangsdienstleistung ohne Gewerbeerlaubnis nach § 34a Abs. 1 S.1 GewO
Die ausgeschriebenen Leistungen sind nicht dem Bewachungsgewerbe zuzuordnen. Der Schwerpunkt der Leistungen liegt auf Tätigkeiten wie dem Empfang von Besuchern, die Ausgabe von Besucherausweisen, der Schlüsselausgabe und -rücknahme, der Annahme des Posteingangs, der telefonischen Anmeldung von Besuchern, sowie der Telefonvermittlung etc. Diese Aufgaben erfüllen die Voraussetzungen i.S. des § 34a Abs. 1 S. 1 GewO nicht. Weiterhin hatte die Antragsgegnerin in der Vergabebekanntmachung gerade nicht vorgegeben, dass die Bieter zum Nachweis ihrer Eignung eine Gewerbeerlaubnis i.S. der vorgenannten Vorschrift vorzulegen haben. Zu Recht ist die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene die Anforderungen an die ausgeschriebene Leistung erfüllt. Ihre Entscheidung, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Vorgehen der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin nicht in ihren Rechten gemäß
§ 168 Abs. 1 S. 1 GWB verletzt.
Hierbei kann offenbleiben, ob das Informationsschreiben der Antragsgegnerin vom 09.09.2016 den Anforderungen des § 134 Abs. 1 S. 1 GWB genügt hat. Allein die Missachtung von Informations- und Wartepflichten begründet noch kein berechtigtes Interesse eines Bieters an der Feststellung der Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrages. Nur derjenige, dessen Chancen auf Erlangung des Auftrages durch die Zuschlagsentscheidung geschmälert sein können, wird durch ein fehlerhaftes Vergabeverfahren in seinen Rechten beeinträchtigt. Steht fest, dass der Bieter selbst bei ordnungsgemäßer Korrektur des Vergabeverfahrens den Zuschlag nicht erhalten kann, ist sein Nachprüfungsantrag unbegründet (vgl. OLG München vom 12.05.2011; Verg 26/10).
Beschluss 2 VK LSA 12/16 vom 28.09.2016 (nicht barrierefrei)
§ 18 EG VOL/A, § 10 Abs. 1 LVG LSA, § 19 EG Abs. 5 VOL/A
- verspäteter Eingang des Aufklärungsschreibens führt nicht zu Ausschluss
- Zuverlässigkeit eines Bieters
Die Antragsgegnerin hat die Angebote wegen verspäteten Eingangs des Aufklärungsschreibens zu Unrecht ausgeschlossen. Zu einer solchen Maßnahme ist der Auftraggeber aus Gründen der Transparenz vielmehr nur dann befugt, wenn er vorab auf die Möglichkeit des Ausschlusses bei Verfristung hinweist. Dem Bieter muss klar sein, dass es sich um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. OLG Jena vom 14.11.2002; Az. 6 Verg 7/02).
Sinn und Zweck des § 10 LVG ist erkennbar, dass Aufträge nur an Unternehmen erteilt werden, die die Bestimmungen des für sie geltenden Tarifvertrages beachten. Bei dieser Sachlage ist es nicht entscheidend, dass die Antragstellerin rein formal betrachtet die Tariftreueerklärung abgegeben hatte. Sie hatte nämlich durch die Vorlage des zeitlich unbefristeten Arbeitsvertrages zu erkennen gegeben, sich tatsächlich bei der Ausführung der Leistungen hiervon abweichend zu verhalten. Eine Vergabe des Auftrages an die Antragstellerin kommt damit nur in Betracht, wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt einen Änderungsvertrag mit der Objektleiterin geschlossen hat. Aber selbst in diesem Fall wäre zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin bereits vom 01.01.2016 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der Objektleiterin eine höhere wöchentliche Arbeitszeit, als im Rahmentarifvertrag vorgesehen, vereinbart hatte. Sie hat damit unabhängig von den in Streit stehenden Aufträgen die Vorgaben des Tarifvertrages diesbezüglich nicht eingehalten. Die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge sind Bestandteil der Arbeitsrechtsordnung und von dem im sachlichen und räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages tätigen Unternehmen stets zu beachten. Die Antragsgegnerin hat daher im Rahmen ihres Beurteilungsspielraumes in eigener Verantwortung zu prüfen, ob durch die Verstöße der Antragstellerin gegen den § 3 Nr. 1.1 des vorgenannten Rahmentarifvertrages ihre Zuverlässigkeit im Sinne des § 19 EG Abs. 5 VOL/A in Frage gestellt wird.
Beschluss 2 VK LSA 16/16 vom 27.09.2016 (nicht barrierefrei)
§ 107 Abs.3 Satz 1 Nr. 3 GWB
- Rügeobliegenheit nicht nachgekommen
In rein tatsächlicher Hinsicht hatte die Antragstellerin aus … der Leistungsbeschreibung Kenntnis über das Wertungssystem. Es war für sie auch erkennbar, dass die Bewertungskriterien hinsichtlich des „Materials“ keine weiteren konkreteren Angaben dazu enthielten, welche Anforderungen gestellt wurden, um den jeweiligen Zielerfüllungsgrad zu erreichen. Sie konnte auch ersehen, dass nicht näher umschrieben war, auf welche speziellen Parameter der Antragsgegner besonderen Wert legte. Die Vergabeunterlagen ergaben offenkundig keinen näheren Aufschluss darüber, in welcher Weise die Benotung für die Ermittlung der Punktebewertung erfolgen sollte.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war für sie auch in rechtlicher Hinsicht erkennbar, dass der Antragsgegner durch die aus ihrer Sicht zu unpräzisen Bewertungsmaßstäbe gegen das Transparenzgebot verstoßen hatte. Sie konnte auch ohne rechtliche Beratung beurteilen, ob der Inhalt der fachlichen und nicht etwa rechtlichen Bewertungskriterien für sie verständlich war. Diese Frage kann grundsätzlich von einem fachkundigen Bieter ohne vertiefte juristische Kenntnisse beantwortet werden.
Sie hätte spätestens bei der Erstellung des Angebots als erfahrene Bieterin ersehen können, dass aus ihrer Sicht aus den Bewertungskriterien nicht hinreichend hervorgeht, worauf es dem Auftraggeber ankommt und dass die vorgenommenen Einstufungen für die Benotungen nicht näher beschrieben wurden.