Beschlüsse 2011
Beschluss 2 VK LSA 35/11 vom 05.03.2012 (nicht barrierefrei)
Paragraf 19 EG Abs. 3 lit. f) VOL/A
- nicht zwingend Verstoß gegen Geheimwettbewerb, wenn Unternehmer eigenes Angebot abgegeben hat und gleichzeitig als Nachunternehmer eines anderen Bieters fungiert
- dabei müssen Gestaltungsspielräume bei der Kalkulation des eigenen Angebots verbleiben, die dem jeweils anderen Bieter unbekannt bleiben
- Beigeladene ist Bieterin und Nachunternehmerin der anderen Beigeladenen und faktisch alleinige Leistungserbringerin
- bei Angebotsabgabe ist der Anschein einer unzulässigen Wettbewerbsabsprache zu widerlegen
Allein der Umstand, dass ein Unternehmer ein eigenes Angebot zum Vergabeverfahren abgegeben hat und gleichzeitig als Nachunternehmer eines anderen Bieters fungiert, lässt nicht zwingend auf einen Verstoß gegen den Geheimwettbewerb im Sinne des Paragrafen 19 EG Abs. 3 lit. f) VOL/A schließen. Die Bieter können nicht ausgeschlossen werden, wenn beiden Bietern – dem jeweils anderen Bieter in ihrer Ausgestaltung unbekannt bleibende – Gestaltungsspielräume bei der Kalkulation des eigenen Angebots verbleiben. Hier bestehen jedoch gewichtige Indizien, die bei der gegebenen Fallkonstellation gegen eine wechselseitige Unkenntnis bei beiden Bietern sprechen. Die Beigeladene ist Bieterin und Nachunternehmerin der anderen Beigeladenen und faktisch alleinige Leistungserbringerin. Die beiden Beigeladenen waren bereits bei der Angebotsabgabe gehalten, den Anschein einer unzulässigen Wettbewerbsabsprache zu widerlegen.
Beschluss 2 VK LSA 33/11 vom 26.01.2012 (nicht barrierefrei)
Paragraf 17 EG Abs. 1 VOL/A, Paragraf 17 EG Abs. 3 VOL/A
- Eingangsvermerk ohne Namenszug
- fehlendes Verpackungsmaterial
- umfassende Dokumentation des Verfahrens
Die Antragsgegnerin hat es bei vier Angeboten, unter anderem bei der Antragstellerin, versäumt, die Eingangsvermerke mit einem Namenszug zu versehen. Bei einem fünften Angebot, nämlich dem der Beigeladenen lag das Verpackungsmaterial in Gänze nicht vor. Die Antragsgegnerin hat dadurch gegen die Regelungen des Paragrafen 17 EG Abs. 1 VOL/A verstoßen. Ein Vermerk i.S. dieser Vorschrift dient der Beweissicherung. Er muss daher in einem förmlichen Verfahren den Aussteller erkennen lassen.
Zu Unrecht weist die Antragsgegnerin schließlich darauf hin, dass das Verpackungsmaterial nicht bis zum Abschluss des Verfahrens aufzuheben wäre. Dies trifft schon deshalb nicht zu, da für die Bieter und die Nachprüfungsinstanzen eine umfassende Dokumentation des Verfahrens sicher gestellt sein muss. Die Vorschrift des Paragrafen 17 EG Abs. 3 VOL/A ist daher dahingehend auszulegen, dass auf eine Verwahrung des Verpackungsmaterials erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens verzichtet werden kann.
Beschluss 2 VK LSA 27/11 vom 04.01.2012 (nicht barrierefrei)
Paragraf 99 Abs. 1 GWB, Paragraf 100 Abs. 2; 1. Alternative GWB, Paragraf 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB
- Anwendung des Kartellvergaberechts
- keine zulässige Interimsvergabe und damit rechtswidriger Vertrag
Die vertragliche Vereinbarung (Managementvertrages für die Geschäftsführung) stellt einen öffentlichen Auftrag im Sinne des Paragrafen 99 Abs. 1 GWB dar, der den Regelungen des Kartellvergaberechts unterfällt. Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung vom 15.03.2011 im Zusammenhang mit dem Vertrag vom 05.04.2004 ist weiterhin nicht ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Paragrafen 100 Abs. 2; 1. Alternative GWB, für das die Vorschriften des Kartellvergaberechts ausnahmsweise keine Anwendung finden würden.
Der geschlossene Vertrag ist nach Paragraf 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB nichtig. Die Antragsgegnerin hat einen öffentlichen Auftrag unmittelbar an die Beigeladene erteilt, ohne andere Unternehmen am Vergabeverfahren zu beteiligen und ohne dass dies auf Grund Gesetzes gestattet ist. Zwar sind in Ausnahmefällen Interimsvergaben, bei denen nur mit einem Unternehmen verhandelt wird, zulässig, wenn sie sich auf einen absolut notwendigen Zeitraum beschränken, um einen vertragslosen Zustand zu vermeiden. Hierbei kann je nach Lage des Einzelfalls eine solche Vereinbarung maximal über den Zeitraum eines Jahres geschlossen werden. Die von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossene Vereinbarung wies jedoch eine wesentlich längere Laufzeit über zweieinhalb Jahre aus und war schon allein deshalb von Anfang an rechtswidrig.
Beschluss 2 VK LSA 23/11 vom 16.12.2011 (nicht barrierefrei)
Paragraf 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB, Paragraf 8 EG Abs. 1 VOL/A
- Rüge eines Mitbewerbers zur gleichen Thematik
- Erfordernis einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Antragstellerin war eine gesonderte Rüge entbehrlich. In Bezug auf Wettbewerbsvorteile des bisherigen Leistungserbringers hatte bereits ein Mitbewerber eine entsprechende Rüge ausgesprochen. In einem solchen Fall wäre eine nochmalige Rüge eine bloße Förmelei.
Die Leistung ist eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und dass miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten sind. Im Hinblick auf den Typ, den Zustand und das Alter der Bestandsgeräte (Atemtherapiegeräte) waren die Angaben des Auftraggebers nicht hinreichend präzise.
Beschluss 2 VK LSA 05/11 vom 19.10.2011 (nicht barrierefrei)
Paragraf 97 Abs. 1 GWB, Paragraf 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB, Paragraf 242 BGB
- Anspruch des Bieters auf transparentes Wettbewerbsverfahren
- präkludierte Vergabeverstöße durch versäumte Rüge
- Verbot widersprüchlichen Verhaltens
- Frage der Antragsbefugnis, soweit konkurrierender Bieter vorbringt, dass Bestbieter einen unangemessenen Preis angeboten habe
Nach Paragraf 97 Abs. 1 GWB steht dem Bieter ein Anspruch auf ein transparentes Wettbewerbsverfahren zu. Dieses kann nicht gewährleistet werden, wenn die Regelungen der VOL/A EG nicht nachvollziehbar und auf alle Bieter im Sinne des Paragrafen 97 Abs 2 GWB gleichermaßen angewendet werden. Anders als nach der herrschenden Meinung ist die Vorschrift des Paragrafen 19 EG Abs. 6 VOL/A nach Auffassung der Vergabekammer uneingeschränkt bieterschützend. Soweit die Antragstellerin vorbringt, der Antragsgegner habe unzulässig Eignungs- und Zuschlagskriterien vermengt, ist sie mit diesem Vorbringen gemäß Paragraf 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert.
Auch ist das Vorbringen der Antragstellerin im Sinne des Paragrafen 242 BGB insoweit präkludiert, als sie sich gegen die Gesamtvergabe mehrerer Lose bei Gewährung eines Nachlasses wendet. Jedenfalls hat der Antragsgegner den Bietern diese Möglichkeit bereits in seinen Verdingungsunterlagen ausdrücklich eingeräumt. Es ist nunmehr als treuwidrig anzusehen, wenn sie sich nachträglich im Laufe des Nachprüfungsverfahrens hiergegen wendet und als Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens im Sinne des Paragrafen 242 BGB zu werten. Die Antragstellerin kann sich nicht zu ihrem Vorteil auf ein entsprechendes angebliches Verbot berufen und gleichzeitig selbst dieses missachten. Ihr ist es verwehrt, für sich selbst Vorteile zu nutzen, die sie anderen nicht zugesteht.
Die Bieterin trägt die Beweislast dafür, dass sie trotz des niedrigen Angebots in der Lage ist, die Leistung auftragsgerecht zu erbringen und die Bedenken des Auftraggebers zu zerstreuen.