Beschlüsse 2009
Beschluss VK 2 LVwA LSA 30/09 vom 18.12.2009 (nicht barrierefrei)
Paragraf 22 Nr. 1 Satz 1 VOL/A
- Eingangsvermerke ohne Namenszug
- Annahme der Angebote durch eine an der Vergabe beteiligte Person
- Einstufung des Angebots als Original oder Kopie
Der Eingangsvermerk soll gewährleisten, dass mit dem Namenszeichen eine konkrete Person die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit des gefertigten Vermerks und die Authentizität der Posteingänge übernimmt und im Bedarfsfalle hierfür auch in Verantwortung genommen werden kann. Die Einhaltung dieser Vorschrift ist bei fehlenden Namenszeichen nicht für den Verhandlungsleiter kontrollierbar.
Eine an der Angebotsöffnung beteiligte Person wird dem Sinn nach gegen den Paragrafen 22 Nr. 1 VOL/A verstoßen, wenn sie Angebote in Empfang genommen hat.
Es ist nicht Aufgabe des Verhandlungsleiters zu entscheiden, welches Angebot als Original bzw. Kopie anzusehen ist. Es bedarf hinsichtlich der Einstufung als Original oder Kopie einer eindeutigen Willenserklärung des Bieters. Dies gilt um so mehr, als das bei Abweichungen das Original maßgeblich sein soll.
Beschluss VK 2 LVwA LSA 25/09 vom 10.11.2009 (nicht barrierefrei)
Paragraf 114 Abs. 1 Satz 1 GWB, Paragraf 25 Nr. 1 Abs. 1b in Verbindung mit Paragraf 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A
- Antragstellerin ist nicht in eigenen Rechten verletzt
- Ausschluss des Angebots wegen Unvollständigkeit
Aus den Bewerbungsbedingungen ging klar hervor, dass der Bieter, der sich bei der Erfüllung eines Auftrages der Fähigkeiten anderer Unternehmen bedient, Art und Umfang der dafür vorgesehenen Leistungsbereiche in seinem Angebot, mittels des Formblattes 235 EG, zu bezeichnen hat. Dem Angebot war das Formblatt nicht beigefügt, sondern wurde erst später nachgereicht. Vor diesem Hintergrund war das Angebot gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1b in Verbindung mit Paragraf 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A unvollständig und zwingend auszuschließen.
Beschluss VK 2 LVwA LSA 22/09 vom 02.11.2009 (nicht barrierefrei)
Paragraf 114 Abs. 2 Satz 1 GWB, Paragraf 13 VgV
- de-facto-Vergabe
- grundsätzliche Rügeobliegenheit auch bei einer de-facto-Vergabe
Das Nachprüfungsverfahren hat sich auch nicht etwa durch Erteilung des Zuschlags im Sinne des Paragrafen 114 Abs. 2 Satz 1 GWB erledigt. Vielmehr ist der geschlossene Vertrag i.S. des Paragrafen 13 VgV als nichtig anzusehen, da es sich um eine sogenannte de-facto-Vergabe handelt.
Bei einer de-facto-Vergabe ist der geschlossene Vertrag nach Paragraf 13 VgV nichtig, wenn der Auftraggeber von dem Interesse eines weiteren Unternehmens Kenntnis erlangt hat und diesem Unternehmen die Vorabinformation über die beabsichtigte Vergabe nicht erteilt hat, obwohl es ihm möglich gewesen wäre.
Grundsätzlich besteht eine Rügeobliegenheit jedenfalls auch bei einer de-facto-Vergabe, wenn der Auftraggeber kein Vergabeverfahren durchführt und der Unternehmer über diesen Umstand seit langem fortlaufend unterrichtet ist. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn ein Vertragsschluss unmittelbar bevor steht bzw. vollzogen ist und eine Rüge angesichts des Vorverhaltens der Antragsgegnerin als in der Sache nutzlose Förmelei anzusehen ist (vgl. OLG Naumburg vom 02.03.2006-1 Verg 1/06). Dies ist angesichts der Umstände des Einzelfalls zu prüfen.
Beschluss VK 2 LVwA LSA 15/09 vom 28.07.2009 (nicht barrierefrei)
Paragraf 107 Abs. 3 Satz 1 GWB
- Unzulässigkeit des Antrages auf Nachprüfung
Der Antrag ist nach Paragraf 107 Abs. 3 Satz 1 GWB unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat.
Beanstandetes Verhalten des Auftraggebers wird im Verhältnis zu dem Bieter, der seiner Rügeobliegenheit nicht rechtzeitig nachgekommen ist, als rechtmäßig fingiert.
Beschluss VK 2 LVwA LSA 13/09 vom 10.06.2009 (nicht barrierefrei)
Paragrafen 7a Nr. 3 Abs. 3) und 17 Nr. 2 Abs. 2 lit i) VOL/A
- unverzügliche Rügeobliegenheit
- präzise Angaben zu den geforderten Eignungsnachweise in der Bekanntmachung
- Eignungsnachweis Mindestumsatz
Macht die Antragstellerin in einer zweiten Rüge weitere Vergaberechtsverstöße geltend und hatte bereits im Vergabeverfahren von diesen Kenntnis, so ist es nicht gerechtfertigt, der Antragstellerin einen längeren Zeitraum als 5 Tage ab Kenntnis für die Erhebung der Rüge zuzubilligen. Durch Nichteinhaltung dieser Frist ist die 2. Rüge unzulässig.
Gemäß Paragraf 7 a Nr. 3 Abs. 3 VOL/A gibt der Auftraggeber bereits in der Bekanntmachung (Paragraf 17 Nr. 2 Abs. 2 lit i)) an, welche Eignungsnachweise die Teilnehmer am Wettbewerb vorzulegen haben. Allein die Angabe in der Vergabebekanntmachung, dass ein Mindestumsatz gefordert wird, ist vage und unbestimmt. Erst in den für den Teilnahmewettbewerb anzufordernden Begleitdokumenten benannte der Antragsgegner die konkrete Höhe des Mindestumsatzes. Aufgrund der wesentlichen Bedeutung dieser Angabe für die Interessenten kann dies nicht als Konkretisierung aus der Vergabebekanntmachung in diesem Punkt angesehen werden, sondern als neue Forderung.
Der Auftraggeber ist grundsätzlich nicht daran gehindert, einen Mindestumsatz von den Bewerbern zu fordern. Diese Entscheidung liegt in seinem Ermessen. Allerdings überschreitet der Auftraggeber sein Ermessen, wenn er einen Mindestumsatz fordert, der in keinem angemessenen Verhältnis zur Leistung steht. Es muss gewährleistet werden, dass Unternehmen, die die Leistung in tatsächlicher Hinsicht erbringen können, nicht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.
Beschluss VK 2 LVwA LSA 11/09 vom 21.04.2009 (nicht barrierefrei)
Paragraf 4 Abs. 8 VOF, Paragraf 97 Abs. 1 GWB, Paragraf 18 VOF
- Integrität der Daten und Vertraulichkeit der übermittelten Anträge auf Teilnahme am Vergabeverfahren
- Einreichung der Angebote in einem verschlossenen Umschlag
- Transparenzgebot, Bedeutung des Vergabevermerks
Gemäß Paragraf 4 Abs. 8 VOF hat der Auftraggeber die Integrität der Daten und die Vertraulichkeit der übermittelten Anträge auf Teilnahme am Vergabeverfahren und der Angebote auf geeignete Weise zu gewährleisten. Per Post oder direkt übermittelte Anträge auf Teilnahme am Vergabeverfahren und Angebote sind in einem verschlossenen Umschlag einzureichen, als solche zu kennzeichnen und bis zum Ablauf der für die Einreichung vorgesehene Frist unter Verschluss zu halten. Die Antragsgegnerin hat daraufhin zu wirken, dass nur verschlossene Teilnahmeanträge bei ihr eingereicht werden.
Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach Paragraf 97 Abs. 1 GWB ergibt sich, wenn die Antragsgegnerin es unterlassen hat, einen Vergabevermerk zu fertigen, der den Anforderungen des Paragrafen 18 VOF genügt. Im Vergabevermerk sind die einzelnen Stufen des Verfahrens, die maßgebenden Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festzuhalten. Alle wesentlichen Entscheidungen sind zeitnah, lückenlos, laufend und nachvollziehbar zu dokumentieren. Die Bieter haben ein subjektives Recht auf eine ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens sowie der wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren. Ein Vergabevermerk hat eine entsprechende wesentliche Beweisfunktion. Auch ist es den Nachprüfungsinstanzen nicht möglich, ohne ordnungsgemäßen Vergabevermerk das Vergabeverfahren auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Beschluss VK 2 LVwA LSA 02/09 vom 10.03.2009 (nicht barrierefrei)
Paragraf 107 Abs. 3 GWB, Paragraf 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A
- keine Frist zwischen Rüge und Einleitung des Nachprüfungsverfahrens
- Ausschluss des Angebots
- Antragstellerin als Erfüllungsgehilfin oder Erklärungsbotin – keine eigene Erbringung der Leistung
Der Gesetzgeber hat im Paragraf 107 Abs. 3 GWB keine Frist zwischen Rüge und Einleitung des Nachprüfungsverfahrens vorgesehen. Nach der Wertung des Gesetzgebers reicht es grundsätzlich aus, dass der Antragsteller die behaupteten Vergabeverstöße unverzüglich rügt. Grundsätzlich führt ein Zeitraum von etwa 4 Monaten zwischen Rüge und Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nicht zur Verwirkung.
Das Angebot der Antragsstellerin ist bereits aus anderen als den zur Überprüfung gestellten Gründen ohnehin vom weiteren Vergabeverfahren gemäß Paragraf 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A auszuschließen, wenn es Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthält.
Beabsichtigt die Antragstellerin die Sendungen als Erfüllungsgehilfin oder Erklärungs-botin des Antragsgegners der Beigeladenen zu übergeben, die dann die weitere Beförderung und Zustellung der Sendungen veranlasst, käme hierdurch ein Frachtvertrag zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen zustande.
Nach den Wertungen des für die Bieter maßgeblichen Dienstleistungsvertrages sollte die Auftragnehmerin verpflichtet werden, die Abholung, Beförderung und Zustellung der Sendungen selbst zu leisten. Soweit die Antragstellerin lediglich als Erklärungsbotin bzw. Erfüllungsgehilfin für den Antragsgegner tätig wird, stellt dies keine eigene Erbringung der Leistung dar. Bei dieser Konstellation ist ausgeschlossen, dass sich die Antragstellerin der Beigeladenen als Nachunternehmerin bedient. Ein Vertrag käme ausschließlich zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen zustande.
Beschluss VK 2 LVwA LSA 01/09 vom 09.03.2009 (nicht barrierefrei)
Paragraf 97 Abs. 7 GWB
- Saisonleistung mit biologischem Material
- Aufhebung der Ausschreibung
Typische Saisonleistungen mit biologischem Material, hier Ausgleichspflanzungen, unterscheiden sich von einem gewöhnlichen Bauauftrag dadurch, dass die Leistungen rein faktisch aufgrund der biologischen Gegebenheiten zeitlich eng umgrenzt entweder nur im Frühjahr oder im Herbst erbracht werden können.
Die Antragstellerin hat gemäß Paragraf 97 Abs. 7 GWB keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin die Aufhebung der Ausschreibung rückgängig macht. Dem Auftraggeber ist eine solche Maßnahme jedoch verwehrt, wenn diese gegen das Willkürverbot bzw. Diskriminierungsverbot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt.
Der Umstand, dass die in den Verdingungsunterlagen vorgesehenen Ausführungsfristen nicht mehr gehalten werden können, bietet zwar für sich alleine keine Rechtfertigung für die Aufhebung der Ausschreibung. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Verzögerung des vorgesehen Beginns der Maßnahme mit unverhältnismäßigen Risiken verbunden ist, die weder dem öffentlichen Auftraggeber noch dem Auftragnehmer zugemutet werden können.