Glücksburger Heide
Größe: 2.781 ha
Landkreis: Wittenberg
Codierung: NSG0196___
Verordnung: VO v. 13.10.2011 (Amtsbl. d. Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt – 11/2011 v. 15.11.2011)
Karte - © LVermGeo LSA Gen.-Nr.: 10008 (www.lvermgeo.sachsen-anhalt.de)
Schutzziel
Erhalt und Sicherung des großflächigen, unzersiedelten, von Offenlandbereichen und ausgedehnten Waldungen geprägten Landschaftsraumes mit der zum Teil durch den militärischen Übungsbetrieb geförderten Vielfalt an Arten und Biotopen; insbesondere Erhaltung, Entwicklung und Wiederherstellung von Heideflächen und verschiedenen Stadien der Gehölzsukzession und Waldlebensräumen, auch zur Förderung von gebietstypischen Arten wie bspw. Ziegenmelker, Mopsfledermaus und Glattnatter.
Lage
Das Naturschutzgebiet liegt im Osten Sachsen-Anhalts nördlich der Stadt Jessen (Elster) zwischen deren Ortsteilen Mügeln, Leipa, Seyda und Morxdorf und befindet sich in der Landschaftseinheit „Südliches Fläming-Hügelland“. Im Norden grenzt es an die Landesgrenze zu Brandenburg. Die östliche Grenze des Naturschutzgebietes verläuft vom Russenwinkel nahe der Kiesgrube durch ein Waldgebiet nach Süden, schließt die ehemalige Funkstation ein und biegt am Lindwerdschen Winkel nach Westen. Weiter folgt die Grenze dem Radwanderweg „Um die Glücksburger Heide“ bis dieser kurz vor Leipa nach Norden abbiegt. Die Grenze biegt nun ebenfalls nach Norden, quert die „Marcolinischen Wiesen“, die Dahmsche Straße und schließt dann an den nördlichen Teil der Grenze an. Das ehemalige Waldgebiet wurde jahrzehntelang militärisch genutzt. Rodungen, Brände und der Übungsbetrieb führten zur Zurückdrängung des Waldes. Es entstand eine artenreiche, offene Landschaft mit Heiden, Sandtrockenrasen und vegetationsfreien Flächen, die von teilweise naturnahen Wäldern nach außen abgeschirmt wird. Seit der Aufgabe der militärischen Nutzung im Jahr 1990 unterlagen große Teile der naturschutzfachlich wertvollen Heidekomplexe der natürlichen Sukzession. In den vergangenen Jahren entwickelten sich auf den ehemals offenen Flächen an vielen Stellen Pionierwälder. Im westlichen Teil des Gebietes befinden sich die „Marcolinischen Wiesen“ - ein Komplex aus feuchten bis frischen Grünlandflächen, Seggenriedern und einem Erlenbruch. Weiterhin befinden sich im Gebiet einige Kleingewässer. Das Naturschutzgebiet ist Lebensraum für zahlreiche an Heiden, Sandtrockenrasen, feuchte Lebensräume beziehungsweise Wälder gebundene Tier- und Pflanzenarten.
Geologische Beschaffenheit
Die Relief- und Bodenverhältnisse der Glücksburger Heide wurden wesentlich in der Saale- und Weichsel‑Eiszeit gestaltet, wobei insbesondere die periglaziale Überformung mit ihren äolischen Prozessen gebietsprägend war. Der zentrale Teil des Gebietes befindet sich auf einer Sanderfläche, die in teilweise mächtigen Schichten die ältere Grundmoräne bedeckt. Die Ablagerungen bestehen hauptsächlich aus geschichteten Sanden. Lehm- und Tonanteile erreichen selten mehr als 10 %, nehmen aber von Süden nach Norden deutlich zu.
Das weitgehend ebene Relief der Glücksburger Heide steigt im NSG in Nord-Süd-Richtung von 80 auf 90 m ü. NN an. Die tiefstgelegenen Bereiche der "Marcolinischen Wiesen" an der Westgrenze des NSG erreichen nur 77,5 m ü. NN. Aufgrund der mächtigen durchlässigen Sandschichten besitzt die Glücksburger Heide eine hohe Grundwasserneubildungsrate mit weitreichender Wirkung auf die Umgebung. Das Gebiet wird mit Ausnahme der Marcolinischen Wiesen jedoch als grundwasserfern eingestuft.
Vegetation
Die potentiell natürliche Vegetation der Glücksburger Heide liegt im Übergangsbereich zwischen Eichen-Hainbuchenwäldern und bodensauren Eichenmischwäldern, zu denen azonale Auen- und Niederungswälder in Form von Erlen-Eschen‑ bzw. Erlenbruchwäldern treten.
Die Glücksburger Heide wird in ihrem Zentrum, aber auch in nördlich und südlich gelegenen Bereichen großflächig durch Offenlandbiotope, wie Zwergstrauchheiden und Sandtrockenrasen geprägt. Das Gebiet wurde in der Zeit von 1936 bis 1990 als militärisches Übungsgelände genutzt. Anfänglich wurden Bombenabwurfübungen durchgeführt. Später wurden Panzerfahrstrassen, ein Schieß‑ sowie ein Hubschrauberlandeplatz betrieben. Die Einwirkungen durch die Nutzung waren intensiv und führten zur Entstehung von Offenlandlebensräumen auf dem ehemals von Wäldern geprägten Gelände. Trockene europäische Heiden mit Besenheide als dominanter Art und Haar-Ginster als charakteristischem Begleiter sind weit verbreitet. Aspekte mit Heidel- und vereinzelt auch Preiselbeere bereichern die Strukturvielfalt. Der Besenginster durchsetzt punktuell die Zwergstrauchheiden, bildet aber auch ausgeprägte Flächenbestände.
In Bereichen mit besonders intensiven mechanischen Beeinflussungen sowohl durch den ehemaligen militärischen Übungsbetrieb als auch durch anschließende Dekontaminationsmaßnahmen bildeten sich vegetationslose und ‑arme Sandflächen, Silbergrasfluren, Fluren des Roten Straußgrases oder mit anderen Pionierpflanzen besiedelte Flächen, unterstützt durch die Nährstoffarmut und das geringe Wasserhaltevermögen der Mineralböden. Gerade diese offenen Trockenstandorte mit ihren charakteristischen Pflanzengesellschaften bieten einer großen Anzahl von bestandsbedrohten und besonders geschützten Tieren geeigneten Lebensraum.
Seit dem Wegfall der militärischen Nutzung findet auf einem großen Teil der einstmals offenen Flächen ungebremst natürliche Sukzession statt. In der Folge etablierten sich birkendominierte Vorwaldstadien, die inzwischen einen großen Teil der ehemals offenen Übungsflächen bedecken. Daneben existieren großflächige Gebüschkomplexe, die den Heidecharakter bereits weitgehend verloren haben, aber noch nicht zu den Wäldern zählen. Weit verbreitet sind Bestände des Salweidengebüsches, weiterhin des Ohrweiden-, Besenginster- und Brombeergebüsches.
Der Randbereich des NSG wird von Kiefernforsten, insbesondere Schlängelschmielen-, daneben Adlerfarn- und Blaubeer-Kiefernforste, geprägt. Der Blaubeer-Kiefernforst verkörpert den nährstoffärmsten Typ. Durch die zunehmende Eutrophierung breitet sich die Schlängelschmiele jedoch auf Kosten der Blaubeere weiter aus. Adlerfarn-Kiefernforste sind auf nährstoffreicheren und meist schwach grundwasserbeeinflussten Böden vorhanden. Als Mischholzart tritt die Birke nahezu überall, verbreitet auch die Stieleiche, auf. Auf den „Marcolinischen Wiesen“ sind kleinflächig Erlenbruchwälder anzutreffen.
Die prägendsten Feuchtbiotope des NSG befinden sich auf den im Westteil des Gebietes gelegenen „Marcolinischen Wiesen“. Dieses ehemals landwirtschaftlich genutzte Grünland, dessen regelmäßige Nutzung inzwischen mehr als zwei Jahrzehnte zurückliegt, wird heute zum großen Teil von Landreitgras-Flächen bestimmt. Der Feuchtwiesen- und Niedermoorcharakter ist durch die komplexe Melioration der westlich davon liegenden Landwirtschaftsflächen weitgehend verloren gegangen und nur noch in Kleinstrukturen in Relikten vorhanden. Aus den ehemaligen Feuchtwiesen verdrängte Elemente haben sich auch an einigen Tümpeln im Westteil der Marcolinischen Wiesen halten können.
Gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie handelt es sich bei den großflächig vorhandenen Trockenen europäischen Heiden um natürliche Lebensräumen von gemeinschaftlichem Interesse. Als gesetzlich geschützte Biotope im Sinne von § 30 BNatSchG in Verbindung mit § 22 NatSchG LSA sind insbesondere Zwergstrauchheiden, Trockenrasen, seggen- und binsenreiche Nasswiesen, Bruch- und Auenwälder sowie naturnahe Bereiche stehender Binnengewässer zu nennen.
Geschützte und bestandsgefährdete Pflanzenarten sind im NSG außerhalb der "Marcolinischen Wiesen" nur spärlich anzutreffen. Zu berücksichtigen ist hierbei die relativ großflächige Standortmonotonie und die grundsätzliche Artenarmut der Sandflora der Altpleistozängebiete. Erwähnenswert sind besonders die Bestände von Besen-Heide und Haar-Ginster.
Fauna
Die faunistischen Untersuchungen im NSG ergaben bemerkenswerte Insektenfunde. Es wurden u. a. 25 Heuschreckenarten, 84 Laufkäferarten sowie 36 Tagfalter- und Widderchenarten nachgewiesen.
Besonders herausragend sind die Funde von Poecilius kugelanni, einer Laufkäferart, bei der aktuelle Nachweise für ganz Deutschland ausstanden, der Schwarzen Röhrenspinne und des Blattkäfers Sermylassa halensis.
88 Brutvogelarten wurden nachgewiesen. Besondere Bedeutung haben dabei die Vorkommen von Ziegenmelker, Heidelerche, Sperbergrasmücke, Neuntöter und Brachpieper als Arten nach Anhang I der Vogelschutzrichtlinie mit teils außergewöhnlich hohen Siedlungsdichten. Im NSG kommen weiterhin bestandsgefährdete und nach Anhang II bzw. IV der FFH-Richtlinie geschützte Arten wie Glattnatter, Kamm-Molch und Moorfrosch vor.
Zustand des Gebietes und Erhaltungsmaßnahmen
Die Vergrasung und Verbuschung der Heiden und Trockenrasen ist in der Glücksburger Heide teilweise schon weit vorangeschritten. Auch die Silbergrasfluren sind durch aufkommende Gehölze bedroht. Zum Schutz der auf das Vorhandensein der Offenlandbiotoptypen angewiesenen Arten ist es deshalb notwendig, durch Nutzung oder Pflege wertvolle Teilbereiche gezielt freizuhalten. Solitärgehölze sowie Gehölzgruppen können dabei erhalten bleiben.
Die starke Entwässerung und Eutrophierung sowie die Nutzungsaufgabe im Gebiet der „Marcolinischen Wiesen“ führten zur Herausbildung großflächiger landreitgrasdominierter Vegetationsbestände. Hier könnte durch eine großräumige Wiedervernässung der Wiesen und extensive Mahd oder Beweidung der Zustand der Flächen verbessert werden.
Die in der NSG-Verordnung festgelegten Entwicklungsziele für die Überführung nicht naturnaher Forste in einen der potentiell natürlichen Vegetation nahe kommenden Wald ist durch Umbaumaßnahmen und das Zulassen der natürlichen Sukzession umsetzbar.
Im NSG sind ca. 360 ha als Prozessschutzflächen der ungestörten natürlichen Entwicklung vorbehalten. Es beinhaltet das Vogelschutz- und FFH-Gebiet „Glücksburger Heide“ und ist Bestandteil des kohärenten europäischen ökologischen Netzes besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung „Natura 2000“.